Familien fördern, so wie sie sind

SKF Aachen leistet ambulante und frühe Hilfen zur Erziehung

43_SKF (c) Rauke Xenia Bornefeld
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Datum:
Fr. 25. Okt. 2013
Von:
Rauke Xenia Bornefeld
„Panik“ – das ist das Wort, mit dem Melitap Hatip unumwunden ihren Gemütszustand vor fünf Jahren beschreibt. Sie hatte gerade erfahren, dass sie mit Drillingen schwanger ist. Ihr Mann Mutlu und sie hatten allerdings schon drei Kinder und lebten zu diesem Zeitpunkt noch in einer Drei-Zimmer-Wohnung.

 Jetzt lacht die sechsfache Mutter fröhlich, denn sie hat Hilfe bekommen. Petra Marchand, Mitarbeiterin der Ambulanten Hilfe zur Erziehung des Sozialdiensts katholischer Frauen (SKF), hat die achtköpfige Familie seit der Geburt der Drillinge vier Jahre lang begleitet. Den ersten Kontakt zum SKF suchte die Familie selbst: Über den allgemeinen Sozialdienst versuchten die Hatips Unterstützung bei der Wohnungssuche zu finden; erfolgreich. Heute stehen der Familie sechs Zimmer und ein kleiner Garten zur Verfügung.

Doch Mehrlinge bedeuten immer eine besondere Herausforderung für Familien. Deshalb nahmen die Hatips die Unterstützung der Ambulanten Hilfen zur Erziehung ebenfalls dankbar an. „Wie organisiere ich den Alltag mit drei Neugeborenen, ohne dabei die größeren Kinder zu vernachlässigen?“, erklärte Marchand die wichtigste Frage, die es für Melitap und Mutlu zu beantworten galt. Vater und Mutter haben diese Herausforderung dank dem SKF gemeistert. Seit einem Jahr kommt Marchand nur noch zu Besuch. Dilara (12), Beyza (10), Büsra (7) und die mittlerweile vierjährigen Drillinge Effe, Polat und Elif vermissen zwar die regelmäßigen Termine mit der SKF-Mitarbeiterin, doch aus Melitap Hatip ist ganz viel Stolz zu hören. Sie hat sehr viel gelernt, auch dass sie mit ihren eigenen Kräften haushalten muss. Deshalb haben die sechs Kinder jetzt einen Paten von den Familienpatenschaften, die der SKF zusammen mit dem katholischen Sozialdienst SKM anbietet.

 

Die Zahl der Einsätze ist in den letzten zehn Jahren stark gesteigen

Die Angebote für Familien beim SKF sind vielfältig. Mit den Ambulanten Hilfen zur Erziehung fing es 1986 an. Damals war der SKF die erste Einrichtung, die Ambulante Hilfen zur Erziehung – damals hieß das noch sozialpädagogische Familienhilfe – anbot. „Für ganz Aachen hatten wir damals vier Stellen“, erinnert sich die Leiterin des SKF, Ursula Braun-Kurzmann. „Es stellte sich heraus, dass es Familien gab, die in Erziehungsberatungsstellen nicht richtig aufgehoben sind, sondern die regelmäßige Unterstützung zu Hause brauchten. Die allgemeinen Sozialdienste konnte diese intensive Arbeit nicht leisten.“ Politisches Ziel war und ist es bis heute, die Unterbringungen von Kindern im Heim zu reduzieren. Dementsprechend sind die Einsätze der Ambulanten Hilfe zur Erziehung in den vergangenen zehn Jahren stark gestiegen.

„Es gibt aber auch zunehmend mehr Unterstützungsbedarf in den Familien“, weiß Braun-Kurzmann. Auf ein gut funktionierendes soziales Netzwerk aus Familie, Freunden und Nachbarn könnten längst nicht alle Familien zurückgreifen. Aber auch die Akzeptanz, diese Hilfe anzunehmen, sei heute höher. Das ist positiv, weil die Ambulanten Hilfen zur Erziehung prinzipiell auf Freiwilligkeit setzen. „Natürlich gibt es auch Familien, die eine deutliche Ansage vom Jugendamt bekommen“, sagt Maria Eicke, SKF-Mitarbeiterin bei den Ambulanten Hilfen zur Erziehung, und verschleiert die Realität nicht.

Anlass für die Genehmigung von Erziehungshilfen ist schließlich immer die Gefährdung des Kindswohls. Doch auch dann erreichen die Familienunterstützer oft die Einsicht, dass die Hilfe positiv für die Familie ist. Die Bedingungen für die Ambulanten Hilfen zur Erziehung haben sich seit Einführung allerdings stark verändert: Zunehmend treffen Eicke, Marchand und ihr Kollege Erich Müller auf multiple Problemlagen in den Familien. „Wenn eine Sucht – Alkohol, Spiel oder auch Internet – vorliegt oder Eltern psychisch krank sind, wird es sehr kompliziert“, weiß Müller. Gleichzeitig steht den Pädagogen weniger Zeit zur Verfügung. „Trotzdem müssen wir das Vertrauen der Familien erringen. Das ist unerlässlich.“ Mit viel Wertschätzung gehen Eicke, Marchand und Müller deshalb in die Familien. „Sie sollen sich angenommen fühlen, so wie sie sind“, betont Eicke.

Ein wichtiger Baustein der präventiven Hilfe ist vor fünf Jahren zum SKF-Angebot dazu gekommen: „Guter Start ins Leben“ ist ein täglich geöffneter, niedrigschwelliger Treff für junge Familien in den Räumen des SKF in der Wilhelmstraße. Hier finden die jungen Mütter und Väter Rückhalt in ihrer neuen Lebenssituation und Rolle – bei professionellen Mitarbeitern wie Pädagogen, Hebamme und Erzieherin, aber auch bei anderen Eltern. Zum Beispiel Nicole Koullen, Mutter von zwei Kindern. Sie kommt seit der Geburt ihres zweiten Kindes regelmäßig zum Frühstückstreff, gibt ihre mittlerweile 18 Monate alte Tochter in die Betreuung, um Erledigungen zu machen oder auch mal Zeit für sich zu haben, nutzt die Beratung. „Meine Tochter war ein Frühchen. Da war ich sehr froh über die Tipps der Hebamme, aber auch, wie wir das Familienleben organisieren können.“ Lösungen anderer Mütter seien ihr ebenso willkommen gewesen. „Jetzt können wieder andere von meiner Erfahrung profitieren.“ Um den dienstäglichen Frühstückstisch sitzen Frauen unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Herkunft und mit unterschiedlicher Erfahrung.

 

Eltern helfen, schon früh eine gute Beziehung zum Kind aufzubauen

„Das Gemeinsame ist das Kind und der Wunsch nach Unterstützung. Alles andere spielt keine Rolle“, erklärt Marchand, die auch bei den sogenannten „frühen Hilfen“ mitarbeitet. Von der nachhaltigen Wirkung von „Guter Start ins Leben“ ist Braun-Kurzmann überzeugt: „Wir helfen den Eltern, schon früh eine gute Beziehung zu ihrem Kind aufzubauen. Wenn das gelingt, können die Familien später oft auch allein schwere Klippen umschiffen.“