Das Glück, Kindern Zeit zu schenken

Warteliste: Fachstelle von SKM und SKF sucht weitere Familienpaten

Datum:
Fr. 7. Feb. 2014
Von:
Rauke Xenia Bornefeld
Von Rauke Xenia Bornefeld

Michi ist kaum zu bremsen. Der Dreijährige hopst auf Helga Ohlrogges Schoß, klettert auf die Lehne der Küchenbank, kommt wieder runter, verschwindet unterm Tisch, rennt aus dem Zimmer und kehrt dann zurück in Ohlrogges Arme. Seine Schwestern Melissa (9) und Miliana (4) erkämpfen sich auch immer mal den angesagten Platz des Nachmittags an Ohlrogges Seite.

„Die Kinder sind sehr lebhaft. Das gefällt mir sehr gut“, ist die 72-Jährige ehemalige Zahnärztin kein bisschen müde von dem Ansturm. Seit einem guten Jahr besucht die Rentnerin regelmäßig Familie Montacir – als Familienpatin. Einmal in der Woche holt sie die Kleinen vom Kindergarten ab und geht gleich erst mal auf den Spielplatz mit ihnen. Wenn Melissa von der Schule kommt, ist Lernzeit angesagt: Deutsch und Mathe. „Im Sommer kommt Melissa auf die weiterführende Schule. Dafür gab es noch Dinge aufzuholen“, erklärt  Ohlrogge. Doch Familienpatin zu sein ist mehr als Nachhilfe und Babysitten: In den Ferien unternehmen sie schon mal was zu Fünft. „Mit drei Kindern allein ist es anstrengend. Mit Helga zusammen macht es viel Spaß“, meint Mutter Marien, die seit gut einem Jahr alleinerziehend ist. Mittlerweile ist das Verhältnis so vertraut, dass auch die 27-Jährige den Rat der 72-Jährigen sucht: „Sie hört auch mir zu.“

Marien Montacir hatte Glück. Als sie bei der Fachstelle Familienpatenschaften des katholischen Vereins für soziale Dienste (SKM) und des Sozialdienstes katholischer Frauen (SKF) anrief, musste sie kaum warten. „Tatsächlich ist die Nachfrage seit dem Start vor acht Jahren hoch“, erklärt Eva-Maria Wagner, Koordinatorin
der Fachstelle beim SKM. „Wir haben eine lange Warteliste.“

Zurzeit werden 65 Familien von 75  Ehrenamtlichen begleitet. „Es geht darum, die Familien zu unterstützen – Eltern entlasten, Kindern Verlässlichkeit bieten“, beschreibt Wagner die Aufgaben von Familienpaten. Dafür sollten Interessierte Toleranz und Unvoreingenommenheit gegenüber anderen Familienwelten, Reflexionsbereitschaft, Erfahrung im Umgang mit Kindern und mindestens einmal in der Woche ein paar Stunden Zeit mitbringen. Alter, Beruf, Geschlecht, Religion – das ist dagegen nicht entscheidend. „Unsere Familien sind ebenso unterschiedlich wie die Paten. Das hilft uns, passende Konstellationen zu finden“, sagt Marion Scheins, Koordinatorin der Fachstelle beim SKF.

Ilona Kampa wollte sich nach dem Wegzug ihrer ersten Familie mit drei Kindern auf ein Kind – möglichst im Kleinkindalter – konzentrieren. Passend, denn durch die Mitgliedschaft im Netzwerk „Frühe Hilfen“ legt die Fachstelle einen Schwerpunkt auf die Unterstützung von Familien mit Kindern zwischen null und drei Jahren.
Wagner brachte Kampa mit einer sehr jungen alleinerziehenden Mutter einer gut Einjährigen zusammen. „Gerade wenn Kleinkinder anfangen, laufen zu lernen, braucht man viele Augen, Arme und Beine“, liebt die Familienpatin die neuen Herausforderungen. Ihr Einsatz für Mutter und Kind verschafft ihr ein gutes Gefühl:
„Ich will etwas von meiner Zeit abgeben. Sie Kindern zu schenken, ist die beste Investition.“ Das lässt sich an Familie Montacir hautnah erleben. Dank Ohlrogges Einsatz haben sich nicht nur Melissas Schulleistungen
stabilisiert. Die alleinerziehende Mutter blüht sichtlich auf. „Nach der Trennung von meinem Mann gab es nur noch Chaos – keine festen Schlafzeiten, keine Rituale, keine Regeln“, erzählt Marien Montacir. „Das ist jetzt alles wieder da.“ Sie fühlt sich sogar so gefestigt, dass sie eine Ausbildung zur Kinderpflegerin beginnen will. „Auch ich muss meine Zukunft – für meine Kinder – in die Hand nehmen.“ Dass eine Vollzeitausbildung mit drei Kindern schwer wird, ist der jungen Frau klar. „Ich habe aber keine Zweifel, denn ich weiß, dass sie hinter mir steht.“ So viel Anerkennung macht auch Ohlrogge zufrieden: „Der Erfolg kommt zu mir zurück. Das ist Glück pur.“

Die Fachstelle Familienpatenschaften informiert am Montag, 17. Februar, um 18 Uhr im Haus des SKM, Heinrichsallee 56, über die Aufgaben von Familienpaten. Mehr unter www.familienpatenschaften-aachen.de sowie Tel. 02 41/41 35 5 -527 oder -529.

Familien auf der Warteliste

Familie V: Frau V. ist 40 Jahre alt und lebt mit ihrem Lebensgefährten und zwei Kindern Alexa und Jonas im Alter von drei und fünf Jahren zusammen. Die Mutter ist berufstätig in Teilzeit, der Vater ist vollzeit berufstätig. In dieser Familie stehen keine Großeltern oder andere Verwandte zur Entlastung zur Verfügung.
Gewünscht wird eine Patin oder ein Pate aus der Großelterngeneration, der/die sich als zusätzliche  Bezugsperson für die Kinder anbietet und sich vielleicht zweimal im Monat am Wochenende mit Alexa und Jonas zwei bis drei Stunden beschäftigt, spielt, mit ihnen rausgeht etc., um den Eltern etwas Zeit zu schenken.

Familie W.: Frau W., 30 Jahre alt und alleinerziehend, lebt mit ihrem dreieinhalbjährigen Sohn Paul zusammen. Zurzeit hat sie einen Minijob, wird aber im Oktober mit einer Vollzeitausbildung zur MTA beginnen. Die Großmutter ist beruflich sehr eingebunden und kann deshalb keine regelmäßige Entlastung anbieten. Die Mutter wünscht sich für sich selber und für Paul eine zusätzliche Bezugsperson mit regelmäßigen Einsatzzeiten
(einmal in der Woche) und Einspringen in Notsituationen, wenn es zu Engpässen und zeitlichen  Überschneidungen kommt. Es darf sowohl ein Mann als auch eine Frau sein.

Familie X.: Frau A. ist 34 Jahre alt und alleinerziehend; ihre Familie lebt in Spanien. Die Mutter hat ihre eineinhalb Jahre alte Tochter Lina gut im Blick. Leider ist Lina etwas entwicklungsverzögert und so gibt es viele Termine bei Ärzten und Therapeuten. Die Mutter wünscht sich eine zusätzliche Bezugsperson für Lina und kleine Auszeiten für sich. Sie kann sich u. a. vorstellen, dass eine Familienpatin Lina schon mal in die Spielgruppe begleitet. Es wäre auch schön, wenn die Patin Lina das ein oder andere Mal mit zu sich nach Hause nimmt.

Familie Y.: Auch Frau Y. ist alleinerziehend. Sie ist 24 Jahre alt und lebt mit ihren beiden Söhnen, die zweieinhalb und eineinhalb Jahre alt sind, nun seit kurzem in einer eigenen Wohnung. Zuvor lebte sie mit den Kindern in einer Mutter- Kind-Einrichtung. Die junge Mutter hat keinen Kontakt zu ihren Eltern und nur unzureichende Unterstützung vom Vater der Kinder. Frau Y. fühlt sich oft alleine und würde sich sehr über eine Familienpatenschaft als Entlastung aber auch über gemeinsame Aktivitäten (mal gemeinsam backen o. ä.) freuen.

Familie Z.: Familie Z. hat keine Familie vor Ort und wünscht sich eine Ersatzoma oder Ersatzgroßeltern für die Tochter Mia, die gerade 7 Monate alt ist. Die Mutter ist noch in Elternzeit, der Vater beruflich voll eingespannt. Schön wäre es, wenn die Eltern auch mal Zeit für sich, ohne Kind, finden könnten, was eher am Wochenende möglich wäre. Da Mia noch keinen regelmäßigen Schlaf- Wachrhythmus hat, sollten Paten sich zunächst noch auf flexible Einsatzzeiten einstellen.